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  BASTARD  ASS (I)  GOES  OVERSEAS von Florian Schiel
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TEIL 23
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B.A.g.O.

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Ich sitze in meinem Büro und lecke meine Wunden. 
Nein, wirklich! Nicht nur im übertragenen Sinne! Kaum zu glauben, wie schwer es ist, mit der Zunge an die Fußsohlen zu kommen ...

Spaß beiseite! Ich habe mich von unseren Super-Sportler Ron überreden lassen, ihn übers Wochenende auf eine 'Backpack-Tour' zu begleiten. 
Nachdem wir uns 6-einhalb Stunden lang mit Rons uralten Pickup durch diverse Staus und sonnendurchglühte Wüstenlandschaften gewühlt haben, stellt sich heraus daß 'Packpack' nicht etwa 'Packesel-Trupp' bedeutet (wie ich angenommen hatte), sondern daß man den unglaublich schweren Rucksack selber durch die Gegend tragen muß - und zudem auch noch bergauf!!!

Unter diesen Umständen beschließe ich, das Funk-Modem und die Ersatz-Akkus lieber im Auto zu lassen. Mit säuerlicher Miene packe ich also nur meinen Laptop und die 15 gefrorenen Pizzen (die sich schon recht schwammig anfühlen) in meinen Rucksack, und folge Ron auf dem kaum erkennbaren schmalen Weg in einen engen Canyon hinein, den ich in einem anständigen Video-Game niemals betreten würde: er schaut aus.wie geschaffen für einen Hinterhalt!

Wie um meine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen trete ich nach kaum 200 Metern auf einen weichen Ast, der sich plötzlich kringelt und ein Schnarren von sich gibt, das wie von einem zu langsam eingestellten Akustik-Modem klingt. Ron reißt mich so heftig am Arm zurück, daß ich beinahe in die Schlucht stürze, und als ich mich beschwere, fährt er mich auch noch unfreundlich an, ob ich denn noch nie eine 'rattle snake' gesehen hätte und ob ich immer wie ein Blinder durch die Gegend laufen würde. Also stecke ich gehorsam meine supercoole Sonnenbrille (97% Filter) in die Tasche und kneife die Augen zusammen. Normalerweise sind meine Augen nur auf die Leuchtkraft meines Farbdisplays adaptiert.

Am abend, als wir endlich an unserem 'camp' ankommen - für mich schaut der staubige Platz genauso aus wie alle anderen staubigen Plätze, die wir in den letzten 5 Stunden passiert haben - habe ich zwei Bienen- und unzählige Moskitostiche, einen Sonnenbrand auf der Nase, Blasen an allen zwei Füßen und meine Schultern spüre ich schon lange nicht mehr. Meine Stimmung sinkt auf den Nullpunkt, als ich entdecke, daß ich die Zugangs-Code-Tabelle für City2000 im Auto habe liegenlassen. Außerdem sind die 15 gefrorenen Pizzen in halbflüssigen Zustand übergegangen und Ron weiß nicht, wo der nächste Mikrowellenherd zu finden ist. (Oder er will es mir nicht sagen; auf meine Frage hin schnaubt er nur verächtlich!)

Die Dämmerung bricht herein (jetzt weiß ich endlich, woher dieser Ausdruck kommt!), als ob jemand den Lichtschalter gedrückt hätte. Ron kocht im Schein meines Laptop-Displays Vollkorn-Nudeln und gibt zähneknirschend zu, daß das 'Ding' doch zu etwas gut sein kann.

Kaum sind wir in unseren Schlafsäcken und versuchen vergeblich eine halbwegs annehmbare Liegestellung auf den harten Isomatten zu finden, als aus der Richtung unseres Eßplatzes verdächtige Geräusche erklingen. 
Schnaufen, Rascheln, Wetzen und - Brummen! Meister Petz will sich an unseren aufgehängten Delikatessen gütlich tun. Wenn er wüßte, daß es sich dabei nur um trockene Vollkorn-Nudeln und aufgetaute Pizzen handelt, würde er es vielleicht bleiben lassen. Ich will Ron gerade vorschlagen, dem Bär die Vollkorn-Nudeln zu überlassen und morgen zu einen MacDonalds zu fahren, aber Ron hört mir gar nicht zu. Er nestelt sich fieberhaft aus seinem Schlafsack und rennt zu unserer Feuerstelle. Gleich darauf höre ich ihn wie wild mit der Taschenlampe auf unserem Kochtopf herumtrommeln. 
Da ich von Geburt gesellig bin, schäle ich mich auch aus dem Schlafsack und renne ebenfalls in Richtung Feuerplatz. Im Dunkeln pralle ich in ein sehr großes, pelziges Etwas. Der Bär! denke ich entsetzt, und bereite mich darauf vor, meine Haut möglichst teuer zu verkaufen. Aber das pelzige Wesen ruft "Ouch!", und es ist nur Ron in seiner Winterjacke, dem ich gerade zielsicher einen Faustschlag aufs rechte Auge versetzt habe.

Während wir noch streiten, wer an dem kleinen Unfall Schuld ist, hören wir wie der Bär wieder zurückkommt. Ron geht wieder hin und vertreibt ihn mit dem Kochtopf, während ich auf das Zelt aufpassen darf. 
Die nächsten zwei Stunden taucht der Bär alle 8-einhalb Minuten wieder auf, und Ron rennt jedes Mal hin und vertreibt ihn mit dem Kochtopf. An Schlaf ist gar nicht zu denken! Wehmütig denke ich an all die selig durchschlummerten Vormittage im Büro ...

Als Ron zu sechzehnten Mal zur Bärenhatz aufbricht, gehe ich mit und nehme meinen Laptop mit. Der Bär - ein schwarzer Kerl mit heller Schnauze, gar nicht so groß wie ich ihn mir vorgestellt hatte - schnüffelt an der Stelle herum, wo Ron das Seil festgeknotet hat, mit dem wir unsere Nudeln und aufgetauten Pizzen auf den Baum gezogen haben. Ron vertreibt ihn mit dem Kochtopf, aber der Bär läuft nur ein paar Meter und bleibt wieder stehen. Er weiß genau, daß wir irgendwann aufgeben werden.

Ich stelle den Laptop genau unter den Knoten und starte 'MadMax' im 'demo play modus' mit voller Lautstärke. Dann stellen wir uns hinter die Büsche und beobachten den Bären. 
Der Bär kommt näher heran, schnüffelt und guckt interessiert auf das farbige Display. In dem Moment wird in 'MadMax' ein ekliges rotes Monster mit einer Panzerfaust in kleine Schleimspritzer zerfetzt. Der Bär wimmert entsetzt und flieht ins Gebüsch. 
Ron und ich schlafen friedlich, bis die Sonne wieder eingeschaltet wird.

Am nächsten Morgen sind die Batterien von meinem Laptop natürlich leer, und ich sehe keinen vernünftigen Grund, noch weiter in so einer unzivilisierten Gegend ohne Strom- und Telefonanschluß zu verbleiben. 
Großzügig überlasse ich Ron die restlichen aufgetauten 14 Pizzen und mache mich auf den Rückweg. Eine ältere Lady nimmt mich in ihrem verrosteten Kombi mit und ich gebe ihr zum Ausgleich ein paar Tips wo sie sich für ihren veralteten OS/2 einen kostenlosen Netzzugang erschleichen kann. Beim nächsten MacDonalds steige ich aus und bringe sofort eine der Computerkassen zum Absturz - nur um sie sofort wieder zu 'reparieren'. 
Zum Dank stopfen sie mich mit ihrem herrlichem junk food voll. Während ich mich mit fetttriefenden Pommes und Cola vollstopfe, lerne ich einen Typen kennen, der auf seinem T-Shirt eine große schwarze '14000' hat. Er erklärt mir, daß er seit 12 Jahren nur BicMacs gegessen und über 14000 BicMac-Schachteln gesammelt habe.

Der Typ schaut wesentlich gesünder aus als Ron.

 
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