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07.06.1999 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Als ich zwischen zwei DVDs mal den Hörer auf die Gabel lege, um mir nach dem anstrengenden Film (MAD MAX XIIeinhalb) eine Pizza zu bestellen, läutet das blöde Ding sofort los. Muß mich bei Gelegenheit mal um eine Nebenstelle kümmern, die keine Anrufe mehr entgegennimmt! Da ich den Hörer quasi schon in der Hand habe, hebe ich halt ab.
"Warum ist meine Workstation so langsam?" 
fragt eine ungnädige Stimme, die ich unschwer als die von unserer Mitarbeiterin Jenny identifiziere, weil im Hintergrund Rex, Jennys Promenadenmischung, sein übliches Heulkonzert veranstaltet. 
"Moment", sage ich zuvorkommend, "ich checke das mal eben ... bleib' kurz dran ..." 
Ich blinzele hinüber zum Ausredenkalender, um zu sehen, was heute aktuell ist: 
"Statistische Aufladung wegen Nylonstrümpfen" 
Läppisch! Hatten wir schon hundertmal! Ich reiße ein paar Blätter vom Kalender ab: 
"Spacelab aus Umlaufbahn geraten" 
"Vorrat an Elektronen im D-RAM verbraucht" 
"MS Aktienkurs gefallen" 
"Prozessor hat Microbefehl als Suizidbefehl mißverstanden" 
"MS Aktienkurs gestiegen" 
Alles viel zu einfach! Ritsch! Ritsch! Ratsch! 
"Zuviele Pakete in Netzwerkvermittlung" 
"Kakerlaken im Hauptspeicher ..." 
Hmm ... Kakerlaken? War da nicht was im 'Hacker's Havoc'? 
Ich blättere kurz durch die letzte Ausgabe ... Ah ja: da ist es ja: ein wunderschönes Raster-Tunnel-usw-Bild von einem riesigen Floh (purex irritans), der auf einem angeknabberten Pentium III hockt. Eigentlich nur Werbung für so einen dubiosen Debugger, aber egal. Während ich das Bild in meinen Scanner schiebe, brumme ich in den Hörer: 
"Ja, also oberflächlich scheint alles ok zu sein. Trotzdem kommt die Kiste nicht so richtig auf Touren ... Hmm ... sag mal, trägt Rex eigentlich ein Floh-Halsband?" 
"Hah?!" 
"Floh-Halsband! Du weißt schon, so ein Plastikding mit ..." 
"Ich WEISS, was ein Floh-Halsband ist. Aber was hat das mit der Performance meiner Workstation zu tun?" 
"Schon mal überlegt, woher der Begriff 'Debuggen' kommt? Erst gestern kam eine Warnung vom DFNT, daß Prozessoren der dritten Generation immer anfälliger für Insektenfraß werden. Da ging es zwar hauptsächlich um tropische Ameisen, aber irgendwo stand glaube ich auch, daß Flöhe Vorliebe für Silicium-Wafer entwickelt haben ..." 
Aber Jenny ist nicht so leicht zu überzeugen. Schließlich kennt sie mich: 
"Bullshit! Das glaube ich nie und nimmer!" 
"Ok", sage ich, "das werden wir gleich haben. Ich komme mal eben rüber und wir schauen uns deinen Pentium mal mit dem Endoskop an ..." 
Ich lade rasch das Bild in meine digitale Kamera und klebe eine alte Diagnose-Schwanenhals-Lampe vor das Objektiv. Dann schnappe ich noch eine riesige Plastiktüte und sprinte hinüber zu Jennys Büro. Rex begrüßt mich mit einem tiefen kehligen Knurren und beäugt mißtrauisch die DigiCam in meiner Hand. Seit er mal aus Versehen ein Starkstromkabel angenagt hat, gehört jeder, der ein technisches Etwas in der Hand hält, zur Gattung potentieller Hundemörder. Rex trägt übrigens KEIN Floh-Halsband, wie ich befriedigt feststelle. 
"Na, dann schauen wir mal", sage ich fröhlich, schalte die Lampe an und stopfe sie in den Lüfterspalt von Jennys Rechner. "Hmm ... hmm ... hmm ..." 
"Was?" fragt Jenny nervös. 
"Also, ich sehe im Moment bloß einen", sage ich mit enttäuschter Stimme. 
"Einen was?!" Jenny zappelt vor Ungeduld. 
"Moment", sage ich und tue so, als würde ich auf den Auslöser drücken. "Hier! Schau selber!" 
Ich halte Jenny die Kamera hin: 
"Unglaublich, was nur einer von diesen Burschen alles anrichten kann! Schaue dir nur mal an, was er von deinem Co-Prozessor übriggelassen hat ..." 
Natürlich ist auf dem Bild gar kein Co-Prozessor zu sehen, aber Jenny würde niemals zugeben, daß sie einen Co-Prozessor nicht mal in tausendfacher Vergrößerung auf der Bühne der Staatsoper erkennen würde. Schließlich arbeitet man an einem technischen LEERstuhl! 
"Himmel!" stöhnt sie. 
Wir gucken beide Rex an, dem allmählich aufgeht, daß er irgendwas verbrochen hat, und bloß noch nicht weiß, was es ist. Vorsichtshalber legt er sich so flach wie möglich auf den Bauch und macht auf 'Armer, armer geschundener Hund'. 
Jenny seufzt. 
"Und jetzt?" 
"Halb so schlimm. Der Co-Prozessor ist natürlich hinüber; den müssen wir nachbestellen. Aber jetzt müssen wir erstmal dafür sorgen, daß nicht noch mehr Unheil passiert. Zu allererst machen wir deinen Rechner mal floh-dicht." 
Ich stülpe den Plastiksack über Jennys Workstation und binde ihn sorgfältig ab. 
"Aber ... was ist dann mit der Belüftung? Wird das nicht zu heiß da drinnen?" 
"Keine Angst. Die neuen Prozessoren halten schon einiges aus. Eigentlich bräuchten wir die Lüfter gar nicht mehr. Aber dann würden ja alle Lüfterhersteller bankrott gehen und deshalb ... naja, du verstehst schon. Außerdem ist das gerade der Sinn und Zweck der Übung: Flöhe vertragen nämlich kaum Temperaturen, die oberhalb der Körpertemperatur von Warmblütern liegen, klar? Was passiert also, wenn die Temperatur jetzt ansteigt? Alle Flöhe, die sich vielleicht hinter dem RAM versteckt haben, werden einfach gegrillt. Am besten, du startest noch ein paar rechen-intensive Jobs in der nächsten Zeit ..." 
"Ähm ... ok, wenn du meinst ..." 
An der Türe fällt mir noch was ein: 
"Und wenn es komisch nach verbranntem Gummi riecht: das ist ganz normal. Verbruzelnde Chitinpanzer riechen nun mal nicht besonders ..." 
Jenny verzieht angewidert das Gesicht. 
"Ok ... und ... äh ... danke!" 
"Nichts zu danken", sage ich, "wir tun nur unseren Job nicht wahr, Rex?" 
Rex guckt mir finster hinterdrein.
Auf dem Weg zurück zu meinem Büro überschlage ich im Kopf ein paar partielle Differentialgleichungen. Na, so vielleicht 3 Stunden gebe ich Jennys Rechner schon noch. Und dann? Irgendwo wird halt eine neue hitzeresistente Floh-Mutation dabeigewesen sein ...
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