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07.10.2002 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Was lange währt, wird endlich ertragreich ... so müßte es eigentlich heißen ('währt' kommt ja schließlich von 'Währung'!). Keine vier Monate hat es gedauert, aber jetzt hat auch der B.A.f.H. endlich seine eigene 0190-Nummer! 
Ihr glaubt gar nicht, was man alles über sich ergehen lassen muß, bis die Telefon-Mafia ('Bundesamt für Telekommunikation') sich dazu breitschlagen läßt, eine neue 0190iger-Nummer einzurichten: Wenn man angibt, daß man sie für ein ehrliches Business brauche, z.B. um Beratungen über die Uni-Hotline abrechnen zu können, erntet man nur tiefstes Mißtrauen und kein Verwaltungshengst dort glaubt davon auch nur ein Bit. Von Zulassung eines solch merkwürdigen Business kann keine Rede sein! ('Des hats ja no nia 'geben! Da kennt ja jeda komma!') Zum Schluß habe ich ganz einfach behauptet, daß ich eine Sex-Stöhn-Nummer mit bayerischen, streng katholischen Internatsschülerinnen aufziehen möchte, und Bingo! Sofort war die Nummer genehmigt! 
In Wirklichkeit brauche ich die 98-Cents-pro-Minute-Melkkuh natürlich für was ganz anderes: Ich hacke mich in den primären Webserver des Telekom-Kunden-Zentrums und schleuse ein kleines CGI-Skript ein, das jeden anrufenden Windoofs-PC dazu animiert, irgendwann später meine 0190iger-Nummer zu wählen. Telekom ist ideal dafür: über 10000 Hits täglich, ein Riesenchaos auf dem Webserver, das zeigt, daß die Telekom-Webmaster sich schon lange selber nicht mehr auskennen oder Besseres zu tun haben, und Kunden, die schon so frustriert sind, daß sie die paar Cents Fehlbetrag auf der Rechnung gar nicht mehr beachten. 
Während ich noch versuche hochzurechnen, nach wie vielen Wochen ich das Geld für den geplanten Trip auf die Seychellen in der Kasse habe, höre ich plötzlich verdächtige Geräusche aus Richtung der Bibliothek. Es klingt ungefähr so, als ob jemand Übungshandgranaten zwischen die Bücherregale werfen würde. 
Als verantwortungsbewußtes Mitglied des universitären Mittelbaus (die Formulierung habe ich mal in einer Broschüre des Personalrats gelesen!) mache ich mich sofort auf, um etwaigen Mißbrauch von universitären Einrichtungen oder gar Vandalismus Einhalt zu bieten (wer den Witz dieses Satzes nicht versteht, sollte mal mit seiner alten Mutter darüber reden; sie kann es sicher erklären!). Gerade als ich nach der Türklinke der geheiligten Bibliothek greife, ... 
BoooM! 
... wird diese von einer dumpfen Explosion der Stärke 5 auf der nach oben offenen Bezelmann-Skala erschüttert. Außerdem hört man gedämpft anfeuernde Rufe mindestens zweier Personen. Ich öffne die Türe einen Spalt und linse ganz vorsichtig hindurch. Drinnen stehen Frau Bezelmann und der Kollege O., beide in oliv-kotz-grünen Tarnanzügen und ... werfen Übungshandgranaten zwischen die Bücherregale ('Analytische Philosophie'). Die Druckwelle der nächsten Detonation reißt mir die Türe aus der Hand und ich sehe, wer die letzte Granate geworfen hat: eine junge ... hm ... Dame, ebenfalls in kotz-tarn-grün mit dunklem Haar, das zu einem frechen Pferdeschwanz zurückgebunden ist. Außerdem ist sie relativ klein, schaut beängstigend zäh aus und hat einen durchbohrenden Blick, der an Frau Bezelmann erinnert.
"Äh ... hallo Leisch!" sagt der Kollege O. überrascht, und läßt seine beiden Hände - in der einen eine Übungsgranate, in der anderen der bereits abgezogene Stift - hinter seinem Rücken verschwinden. "Wir ... äh ... wir haben nur ... wir versuchen gerade ..." 
"Wir üben gerade ein bißschen für die CSSSSU-Military-Competition am nächsssten Wochenende in Wild-Bad-Kreuthhhh!" zischt Frau Bezelmann mit ihrer typischen Polarstimme und schaut mich durch ihre blitzenden Brillengläser herausfordernd an. 
Aus den Trümmern der Bücherregale steigt beißender Pulverdampf auf. Mindestens 500 Bücher liegen am Boden verstreut. Die Situation ist insofern pikant, als der Kollege O., als der Verantwortliche für die geheiligte Bibliothek, erst letzte Woche einen Studenten hochkant 'rausgeschmissen hat, weil er es gewagt hatte, in der Bibliothek zu hüsteln! Und jetzt steht er (der Kollege O., nicht der Student) da mit Frau Bezelmann und ... und einer Unbekannten in Tarn-Kotz-Grün ... hm ... 
"Wer's 'n das?" fragt die Unbekannte und mißt mich mit kritisch-distanziertem Blick. Sie zieht gekonnt mit den Zähnen den Ring einer neuen Granate ab. "Euer Boss?" 
Sie wirft die Granate elegant in Richtung 'Meta-Physik' und wir tauchen alle hinter dem Katalog ab. 
BooooM! 
"Bist du noch ganz dicht?" fahre ich den Kollegen O. an, nachdem sich der Pulverdampf etwas verzogen hat. "Und wer ist dieses Granaten-Werf-Wunder?!" 
"Das ist Tatiana ...", meint der Kollege O. und versucht verlegen, den Stift wieder in seine Granate zu bekommen. "... vom Rechnerbenutzerbetreuungsreferat ..." 
"Vom Rechner ...?" Mir bleibt der Mund offen stehen und ich merke, wie mich grüne Augen interessiert mustern. Noch grüner als ihr kotz-grüner Kampfanzug ... 
"Oh!" sage ich - nicht sehr schlagfertig. "Hrrrm ... aha! Naja, darf man wissen, was ihr hier treibt. Es geht mich ja eigentlich nix an, weil nicht ICH der Bibliotheksverantwortliche an diesem LEERstuhl bin, aber ..." 
"Leisch, nicht wahr?" Mehr eine Feststellung als eine Frage. Und gleich ein frech-wissendes Grinsen hinterher. 
Frau Bezelmann läßt ihre eisgrauen Augen hinter den zentimeterdicken Brillengläsern zwischen uns hin- und herschießen, wie ein wildgewordener Maustreiber, dem man mit 'kill -9' gedroht hat. 
"Ssssie kennen ssssichchchch?!" 
"Nein!" sagen wir beide automatisch - und einen Sekundenbruchteil zu schnell. 
Frau Bezelmanns sardonisches Eisblumenlächeln vertieft sich um einige hundert Grad Kelvin. 
Der Kollege O. hat nichts mitgekriegt; er versucht immer noch, den Stift zurück in die Granate zu bekommen. 
"Großer Core-Dump!" sage ich energisch. "Jetzt laß diese erotischen Ersatzhandlungen und erklär' mir endlich, wieso zum Teufel ausgerechnet DU deine geheiligte Bibliothek zum ... äh ... Abschuß freigegeben hast?" 
Der Kollege O. wirft mir einen finster-trotzigen Blick zu. "Kennst du das neue Hochschulrahmengesetz?" 
"Äh ... ja, ich denke ..." 
"Die Verwaltung hat mir soeben mitgeteilt, daß genau wegen dem neuen HRG mein Vertrag leider nicht mehr verlängert werden kann, obwohl ausreichend Drittmittel im Projekt vorhanden wären ... Sie bedauern außerordentlich ... blablabla ..." 
"So ... hmm ... aber ..." 
"Und deshalb habe ich mich entschlossen, in den akademischen Untergrund zu gehen!" 
Mit einem raschen Schlenker wirft er die scharfe Granate in Richtung 'Festkörperphysik'. Alle außer dem Kollegen O., der weit genug weg steht, tauchen wieder hinter den Katalog. Leider prallt die Granate an der Regalvorderseite ab und rollt gemächlich wie eine Billiardkugel in Richtung Türe - und dem Chef, der gerade hereinkommt, genau vor die Füße! 
"Ah ... äh ... Herr Kollege O. ... wie ... hmm ... wie schön, daß ich Sie hier ... hm ... hier antreffe. Ich suche diesen ... ähm ... diesen hochexplosiven Artikel, der ..." 
BoooM! 
Eines muß man dem Chef lassen! Er ist nach 30 Jahren LEERstuhl - allerdings auch 10 davon mit mir zusammen - durch nichts mehr zu erschüttern! 
Die Übungshandgranate platzt praktisch direkt unter seinen italienischen Designerschuhen - aber der Chef weicht keinen Handbreit zurück, obwohl ihm die Hosenbeine flattern; er steht wie eine Salzsäule, den Mund noch halb offen, das Grauhaar etwas zerzaust durch die Druckwelle. 
Der Kollege O. steht mindestens genauso erstarrt, faßt sich aber rasch wieder und geht hinter den Regalresten der 'Spektralanalyse' in Deckung. Frau Bezelmann stampft energisch durch den Pulverdampf auf den Chef zu, wie durch Zauberei trägt sie plötzlich wieder ihr übliches mausgraues Sekretärinnen-Standard-Gewand; keine Spur mehr von Kotz-Grün. (Transmutane Textilumwandlung? Telekinese? Massenhypnose? Paralleluniversum? Irgendwann, irgendwann werde ich noch herausfinden, wie sie das macht!) 
"Herr Professssssor? Hallo? Hallo!! Herr Professssor!" 
Der Chef rührt sich keinen Millimeter. Totaler Interrupt! Oder Core-Dump! Blue Screen from Hell! 
Ich wedele probeweise mit der Hand vor seinen Augen. Keine Reaktion. 
"Verdammt nochmal, O.! Weißt du überhaupt, was du da angerichtet hast?!" schimpfe ich, jetzt ehrlich empört. "Heute Nachmittag ist Promotionsausschusssitzung! Und jetzt muß am Ende ICH noch hingehen und den Chef vertreten!" 
Inzwischen ist Frau Bezelmann hinüber ins Sekretariat gelaufen und kommt mit einem langen Stachel ihres Postkaktus zurück. Aber selbst Stiche an empfindlichen Körperstellen rufen keine sichtbare Reaktion hervor. 
"Laßt mich mal 'ran", sagt schließlich die B.f.A.f.H. - denn SIE ist es natürlich, wie ihr schon längst erraten habt -, "ich weiß, wie man Professoren kick-startet!" 
Sie schleppt einen Stuhl heran und steigt darauf und beugt sich vorsichtig nach vorne, so daß sie mit dem Kopf auf gleicher Höhe mit dem Chef ist. (Dabei komme ich nicht umhin zu bemerken, daß sie ... also, daß man zugeben muß, daß ihre Figur ... vor allem ... hm ... die Kehrseite erstaunlich wohlproportioniert ist. Sogar in kotzgrün ...) 
Wir beobachten gespannt, wie die B.f.A.f.H. dem Chef etwas ins rechte Ohr flüstert. Nach ein paar Sekunden flackern tatsächlich die gütigen Augen des Chefs, er blinzelt und holt tief Luft, seine Augen streifen verwundert über das pulverdampfende Chaos in der ehemaligen Bibliothek. Schließlich bleibt sein Blick an mir hängen und nach einer Sekunde spannungsgeladenen Schweigens, in der man die Mäuse in den Backbone-Kabelschächten an den Lichtleitern nagen hören kann, sagt er lediglich in seinem so typischen freundlich-vorwurfsvollen Ton: 
"Aber Leisch!" 
Später spendiere ich der B.f.A.f.H. in der Cafete einen Kakao und frage natürlich die fälligste Frage aller Fragen: "Wie, beim Großen Core-Dump, wie kick-startet man einen Professor?" 
Die B.f.A.f.H. grinst zufrieden und antwortet: "Ganz einfach: Man flüstert ihm ins Ohr: 'Äh ... was wollte ... wo ... ähm ... wo war ich ... hrrrm ... wo war ich gerade ... äh ... stehengeblieben ...? Ach ja ...'"
(Sollte jemand nicht wissen, was 'kill -9' bedeutet, so sollte er sich erstens schämen und zweitens ist das so in etwa das Gleiche wie 'Task beenden' - nur noch viel schlimmer.)
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