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12.06.2003 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Tax Torture
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Ich klopfe zweimal hart und öffne, ohne eine Antwort abzuwarten, die Türe zum Rechnerbenutzerbetreuungsreferat (RBBR). 
Die B.f.A.f.H. ('Bastard female Ass(i) from Heck') sitzt hinter ihren zwei 20''-TFT-Displays und versucht krampfhaft, überrascht auszusehen. Sie trägt heute mal ausnahmsweise nicht den üblichen militärisch-grünen Tarnanzug, sondern ein superknappes Khaki-Top und einen so kurzen Minirock, daß er nicht mal als Baby-Serviette herhalten könnte. 
"Hi!" 
sagt die B.f.A.f.H. in ihrem spöttischen unterkühlten Ton, den sie speziell für mich reserviert hat. Eine sorgfältig getrimmte Augenbraue bewegt sich leicht nach oben. 
Ich sage kein Wort, mache einen großen Schritt zu ihrem Schreibtisch und beuge mich über die Display-Barriere. Mit dem Zeigefinger tippe ich langsam '666' in ihre offene Shell. 
Ein Mundwinkel zuckt verräterisch. 
"Was kann das nur bedeuten?" 
frage ich mit affektierter Stimme. 
Die B.f.A.f.H. zieht die Augenbrauen nach oben und schaut mich unschuldig an. 
"666? Das kann alles mögliche bedeuten: 999 minus 333, 6 mal 111, 600 plus 60 plus 6, ..." 
"Genug!" 
donnere ich, obwohl ich genau weiß, daß man die B.f.A.f.H. mit Schreien nicht beeindrucken kann. 
"Heute morgen ruft mich der Studiendekan der Theologie an und beschwert sich über - ich zitiere - 'kabbalistisch-satanische Beschwörungsformeln im Computernetzwerk', und daß sich ein Großteil seiner Studenten weigere, einen Computer auch nur anzufassen, seitdem ihnen JEMAND erzählt habe, daß in gewissen Skripten, die ich geschrieben habe, die Zahl '666' vorkomme. Das Ausführen dieser meiner Skripten, so der Dekan weiter, könne zu einer satanischen Beschwörung der großen Hure Babylons und des Tieres führen ..." 
"Ach?" 
"Eine genauere Überprüfung diese Blödsinns - was mich fast eine halbe Stunde meiner kostbaren Zeit gekostet hat - ergab, daß es sich bei den ominösen Skripten um ganz harmlose Administrationstools handelt, in denen der UNIX-Befehl 'chmod 666 file' vorkommt. Und daß die ganze Aufregung durch eine anonyme email ausgelöst wurde, die über einen finnischen Mail-Relayer an die Mailingliste des Departments geschickt wurde." 
"Tatsächlich?" 
"Tatsächlich! Ja!" 
"Oh!" 
sagt die B.f.A.f.H. unschuldig. 
Ich stütze mich mit beiden Händen auf den Schreibtisch der B.f.A.f.H. 
"Mein liebes Kind: Wir hatten eine Abmachung." 
Nichts bringt eine selbstbewußte junge Frau schneller auf die Palme, als wenn sie 'liebes Kind' genannt wird (das war wieder ein kostenloser Tipp, Leute! Aufschreiben!) 
"So?" 
sagt die B.f.A.f.H. mit Null-Kelvin-Stimme. 
"Nördlicher Campus ist dein Territorium, der Süden gehört mir. Trennlinie ist das Büro des Kanzlers." 
Ich ziehe einen Stadtplan aus der Tasche. 
"Und wenn mich meine visuelle Sensorik nicht vollkommen verlassen hat, dann sind die Theologen eindeutig südlich vom Verwaltungsgebäude!" 
"Aber das Büro des Kanzlers ist nicht im Verwaltungsgebäude sondern im Philologicum", 
schnappt die B.f.A.f.H. giftig, 
"und das liegt südlicher als das Theologicum!" 
"Aha", 
rufe ich triumphierend, 
"das heißt also: die email kam tatsächlich von dir!" 
Die B.f.A.f.H. merkt zu spät, daß sie einen taktischen Fehler begangen hat. 
"Dafür gibt es keinerlei Beweise!" 
faucht sie. 
"Die brauch' ich auch nicht", 
sage ich ruhig und stecke den Plan wieder weg, 
"eigentlich bin ich ja auch nur gekommen, um dem RBBR mitzuteilen, daß mich die Hausinspektion mit der Neuzuweisung der Kellerabteile in diesem Gebäude beauftragt hat." 
Die B.f.A.f.H. ist durch den plötzlichen Themenwechsel momentan verwirrt. 
"Hausinspektion? Kellerabteile?" 
"Genau!" 
sage ich süffisant. 
"Wenn man sich nämlich die Gebäudepläne (www.lmu.de/verwaltung/raumplanung) mal genauer anschaut, sieht man, daß die zugewiesenen Kellerflächen nicht den Proportionen der Personalstärke der einzelnen Referate entsprechen, wie es das Bayerische Hochschulbaugesetz, Paragraph 17, Durchführungsverordnung III B vom 12. Januar 1946 vorschreibt." 
Panik macht sich im Gesicht der B.f.A.f.H. breit. 
"Und deshalb", 
fahre ich fort, 
"hat mich der Leiter der Hausinspektion beauftragt, das Problem ein für alle mal zu lösen." 
Genauer gesagt war der Oberste der Klingonen zu Tode erschrocken, als ich ihn über die falsch zugewiesenen Kellerabteile informiert hatte. 
"Herr Leisch", 
flehte er händeringend, 
"das ist doch nicht so tragisch. Diese Kellerabteile werden doch kaum genutzt. Eigentlich weiß niemand mehr genau, wer was da unten für was benutzt. Da sind doch noch Akten von vor dem Krieg da drunten, und wer weiß was da noch alles rumliegt!" 
Bei dem Gedanken allein tritt dem Obersten der Klingonen der Schweiß auf die gefurchte Stirne. 
"Und wissen Sie überhaupt, wie schwierig es ist, Raumflächen neu zuzuteilen? Das kann Jahre dauern! Und ... und ... und tonnenweise Schriftverkehr und Protestbriefe an das Rektoratskollegium. Und dann verlangt am Ende noch jemand ein Gutachten ..." 
Der Oberste der Klingonen weint fast. Wahrscheinlich leidet seine klingonische Seele schon seit Jahren unter dem Druck der ungeordneten Kellerabteile. 
Ich lasse ihn noch ein paar Sekunden schmoren, dann biete ich ihm den ersehnten Ausweg aus der Zwickmühle: 
"Da sie ja so beschäftigt sind, könnte ich vielleicht ...?" 
Der Oberste der Klingonen ist so froh über den rettenden Strohhalm, daß er mir sogar noch eine Generalvollmacht für alle Belange der Haustechnik im Kellerbereich ausstellt. Die darin enthaltene Befristung auf einen Monat werde ich bei Gelegenheit mit Photoshop weg retuschieren. Der großen Kellerflächentombola steht also nichts mehr im Wege! Und um der Sache mehr Schwung zu geben, dehne ich die Aktion auf den gesamten Campus aus. 
Als erstes schicke ich an alle mitspielenden Referate und Departments eine informative Mail als Vorwarnung: 
So und so! Sämtlich bestehenden Zuordnungen von Kellerräumen werden mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Bestehende Zuweisungen aufgrund von Berufungsverhandlungen werden per Generalvollmacht für nichtig erklärt. Derzeit genutzte Flächen sind deutlich zu kennzeichnen und der aktuelle Bedarf per Formular #32768 (von Uni-Server downloadbar) in fünffacher Ausfertigung bis morgen Mittag an mich einzureichen. Es versteht sich von selbst, daß auf dem Uni-Webserver weit und breit kein Formular #32768 zu finden ist. 
Tatsächlich liegen am nächsten Tag ganze Stapel von phantasievoll gestalteten Formularen in meinem Postfach. Nur die Mediavisten schreiben, daß sie beim besten Willen kein Formular #32768 auf dem Uni-Webserver finden können, und was sie denn bitte schön jetzt machen sollen. Solch ein unkreatives Verhalten ist einem Akademiker nun wirklich nicht angemessen, daher streiche ich sie komplett von der Liste der potentiellen Kellerraumempfänger. (Obwohl es andererseits auch wieder eine ungewöhnliche Leistung für die Mediavisten war, den Uni-Webserver überhaupt zu finden!) 
Wie zu erwarten war, ergibt sich aus den Anträgen ein beantragter Kelleraumbedarf, der 12mal größer ist als die vorhandenen Flächen. Von Habgier motivierte Verhaltensweisen sind mindestens ebenso zuverlässig vorhersagbar wie der Ausgang der bayerischen Landtagswahlen. 
Ich verbringe zwei glückliche Tage mit dem Design eines C++-Programms, das in einer Monte-Carlo-Simulation den mittleren Abstand der Umzugsstrecke für alle mitspielenden Institute maximiert und eine neue Zuweisung für alle Kellerräume berechnet; außerdem definiere ich als Eckwerte der Simulation, daß jeder Kellerrauminhalt aus logistischen Gründen mindestens dreimal umgeschichtet werden muß, und der Keller vom RBBR insgesamt sechsmal. 
Mein Programm errechnet eine gesamte Umzugsperiode von dreieinhalb Jahren, wobei die Gesamtstrecke von transportiertem Material ungefähr der Strecke zwischen München und Timbuktu und zurück entspricht. 
Ich faxe die logistischen Umzugspläne - etwas über 400 Seiten - an alle mitspielenden Institute und Referate und natürlich an die ausführenden Organe der Hausinspektion und trete unverzüglich meinen acht-wöchigen Sommerurlaub an.

PS: Wenn Du nicht weißt, was der Befehl 'chmod 666 file' bedeutet, dann solltest du mal ein ernstes Wort mit deinem Chef sprechen, ob ihr nicht vielleicht das falsche Betriebssystem benutzt.

PSS: Wenn Dein Chef auch nix damit anfangen kann, solltet ihr vielleicht mal den Chef auswechseln ...

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