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11.01.2004 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Veröffentlichung/Bürotechnik
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Beim obligatorischen Kaffeetrinken und der ebenso obligatorischen Weihnachts-Plätzchen-Vernichtungs-Orgie bemerkt Marianne mit einem kritischen Seitenblick auf mich: 
"Leisch hat während der Feiertage wieder Mal ganz schön zugelegt ..." 
Ich wechsele den angebissenen Krapfen mit Vanille-Creme-Füllung in die andere Hand, damit ich besser meine ... hm ... Hemdbrust betrachten kann, auf der schon einige Knöpfe abgeplatzt sind. 
"Unsere Bundesministerin hat soeben verkündet, daß wir ab jetzt mehr in die Breite investieren sollten", 
sage ich ungerührt. 
"Ich gehe wie immer mit gutem Beispiel voran!" 
"Ich glaube, sie hat damit aber die Bildung gemeint, nicht deine Wampe", 
sagt der Kollege O. mit vollem Mund an einem Nußstriezel kauend. 
"Na, und? Ich bilde ja auch schließlich", 
sage ich, 
"mit jedem Tag bilde ich meine Breite ein kleines bißchen mehr." 
"In Ihrem Alter sssollten Sssie mehr auf Ihre Gesssundheit achten," 
mischt sich Frau Bezelmann mit funkelnden Augen ein. Immer wenn jemand kritisiert wird, kann man davon ausgehen, daß Frau Bezelmann ihren Senf dazugeben wird! 
Der Chef, der einen mindestens doppelt so dicken Bauch wie ich aufzuweisen hat und der gerade nach dem letzten Florentiner greifen wollte, guckt pikiert. Frau Bezelmann merkt, daß sie einen taktischen Fehler begangen hat und beeilt sich zu versichern, daß es natürlich andererseits Herren in einer respektablen Position sogar ganz besonders gut steht, wenn sie ein solides Auftreten haben. 
Marianne grinst boshaft: 
"Bei Aldi gibt es jetzt ganz günstige Fitneß-Geräte. Wir könnten ja ein paar davon im alten Rechnerraum II installieren. Dann kann sich Leisch dort jeden Tag ein wenig abstrampeln ..." 
"Vielleicht überleben dann endlich mal meine Netzwerk-Simulationen", 
fügt der Kollege O. gedankenverloren hinzu. 
Alle gucken ihn verblüfft an. 
"Äh ... ich meine, wenn Leisch mit Trainieren beschäftigt ist, kann er nicht so viel am Linux-Cluster ... äh ... herumdrehen", erklärt der Kollege O., "und dann überleben vielleicht endlich mal meine Simulationen bis zu einem verwertbaren Ergebnis." 
"Ich könnte ja auch ganz einfach mit dem Rauchen beginnen", 
sage ich boshaft, 
"Raucher sollen ja automatisch 10 Kilo abnehmen ..." 
Marianne, unsere letzte verbliebene Hard-Core-Raucherin, läuft dunkelrot an. 
"Willst du damit behaupten, ich wäre 10 Kilo dicker, wenn ich nicht rauchen würde?!" 
"Aber nie im Leben! Wir haben doch von mir gesprochen, oder?" 
Marianne zieht knurrend ab und murmelt irgendetwas von mangelnden Fitneßbewußtsein an diesem LEERstuhl. 
"Wahrscheinlich ist auch Leischs BMI viel zu groß", 
mischt sich Jenny ein. 
"Er sollte wirklich mal eine BRIGITTE-Diät machen. Die sind ganz fantastisch!" 
"Leischs BMW ist zu groß?" 
fragt der Chef verwirrt. 
"Ich ... äh ... wußte gar nicht, daß er einen BMW hat ..." 
"BMI issst der Body Masss Indexxx", 
beLEERt Frau Bezelmann den Chef. 
"Der issst normalerweissse bei etwa 22. Je höher er issst, desssto fetter die betreffende Perssson." 
"Und desto weniger Muckis", 
grinst mich der Kollege O. anzüglich an, der jedes Wochenende ekelhaft anstrengende Outdoor-Aktivitäten absolviert und uns dann die halbe Woche vorschwärmt, wie absolut fantastisch das alles sei. 
Ich ziehe mich in mein Allerheiligstes zurück, fahre die Schutzschilde hoch und denke scharf nach, wie ich dieser plötzlichen Schwarzeneggerschen Pro-Fittneß-Tendenz am LEERstuhl Einhalt gebieten könnte. 
Am nächsten Vormittag lösche ich gerade die ganze überflüssige Usermail, die meinen MP3-Server belastet, als das rote Telefon läutet. Das bedeutet jetzt beileibe nicht, daß der Kollege Bush vorhat, irgendeinen Teil der Welt zu nuken. Nein, das rote Telefon ist eines der neusten Errungenschaften der Uni-Verwaltung: Alle sogenannten Netzwerkverantwortlichen müssen jetzt eines haben, und das Schlimmste ist, daß sie über eine allgemein bekannte Sammelnummer angewählt werden. Und ich habe noch nicht herausgefunden, wie ich die Anrufe, die an mein Telefon geleitet werden, an die Terrorabteilung des Pentagon weiterleiten kann. 
Ich hebe ab und sie ist dran. Ich erkenne sie sofort an der zögerlichen, piepsigen Stimme und dem hektischen Keyboard-Geklapper im Hintergrund. The never-dying DAU! 
"Ja?" 
sage ich so ungnädig wie Frau Bezelmann zu ihren besten Zeiten. 
"Äh ... ich weiß nicht, ob Sie mir da helfen können ...", 
beginnt sie nervös. 
"Das weiß ich leider auch nicht", 
sage ich rasch, 
"rufen Sie nur wieder an, wenn Sie sich ganz sicher sind." 
Ich lege auf, und keine 30 Sekunden später läutet es wieder. 
"Ja?" 
"Äh ... Sie können mir bestimmt bei einem Problem helfen ..." 
"So?" 
sage ich. 
"Sind Sie sich da auch ganz sicher?" 
"Ähm ... ja, ganz sicher." 
"Na, schön. Worum handelt es sich?" 
Sie erläutert mir umständlich, daß immer wieder auf ganz rätselhafte Weise Emails aus ihrer Mailbox verschwinden würden. 
"Das Komische daran ist", 
sagt sie, 
"daß es völlig zufällig passiert. Ich meine, es sind nicht Emails von einem bestimmten Absender oder ab einer bestimmten Größe oder so ... Manchmal passiert eine Woche lang gar nichts; dann verschwinden wieder ganze Ordner ..." 
Sie kann schlecht wissen, daß das nur davon abhängt, ob ich mal wieder Platz für einen neuen MP3-Download brauche. 
"Hm", 
sage ich, 
"ich werde erstmal ein paar diagnostisch-perzeptive Performanz-Analysen über Ihren Rechner laufen lassen. Oder haben Sie das schon selber gemacht?" 
"Was gemacht?" 
"Diagnostisch-perzeptive Performanz-Analysen über Ihren Rechner laufen lassen", 
wiederhole ich seufzend. Bei einem never-dying DAU kann man nicht geduldig genug sein. 
"Dia ... äh ... nein, ich glaube nicht ..." 
Mit anderen Worten: DUMMY MODE ON 
"Na, dann schauen wir mal ...", 
ich haue ein paar Male hektisch auf die Leertaste, 
"ah, ja. Da haben wir ja schon etwas!" 
"Was ... was ist es?" 
"Es scheint, Ihr BMI ist viel zu hoch", 
sage ich, ohne mit der Wimper zu zucken. 
(Ob ich mit der Wimper zucke oder nicht, kann sie zwar durch Telefon nicht sehen, aber kanadische Wissenschaftler haben erst vor kurzem festgestellt, daß die meisten Frauen, das Zucken einer Wimper, das Hochziehen der Augenbrauen oder gar das Verziehen der Mundwinkel durch das Telefon HÖREN können! Als B.A.f.H. kann man also gar nicht vorsichtig genug sein! Das war wieder ein kostenloser Tipp, Leute! Schreibt ihn euch auf!) 
"Mein BMI?" 
fragt sie fassungslos. 
"Aber ... aber ..." 
"Na, wie hoch glauben Sie denn, daß Ihr BMI ist?" 
frage ich. 
"Also das ist doch wohl ..." 
"Heute morgen war er bei über 30!" 
"Über 30!" 
An der hysterischen Stimmlage erkenne ich, daß die DAUin (wie alle Frauen) genau über ihren Body Mass Index Bescheid weiß. 
"Ja, deutlich über 30", 
bestätige ich gnadenlos. 
"Wahrscheinlich habe Sie ein paar zu große Windoofs-Dokumente in Ihrem Account; die tragen immer heftig auf. Oder vielleicht eine DVD-Raubkopie?" 
Im Telefon bleibt es für 10 Sekunden lang still. Dann: 
"Äh ... was?" 
"Ich sagte, daß Ihr Bit Mass Index heute morgen deutlich über 30 lag, und daß ..." 
"BIT MASS INDEX?" 
"Ja! Sagte ich doch gerade: Bit Mass Index. Wenn Sie also mal endlich in Ihrem Account aufräumen würden ... apropos: wie lautet eigentlich Ihr User-Kennzeichen?" 
SIE SAGT ES MIR! EINFACH SO! 
Manchmal glaube ich wirklich, daß die ganze evolutionäre Theorie vom Überleben der Fittesten alles nur Humbug ist. Jetzt gibt es den B.A.f.H. an diesem LEERstuhl schon mindestens acht Jahre und immer noch tauchen DAUs auf, die mir am Telefon und ohne mit der Wimper zu zucken (da war's wieder) ihre User-Kennung sagen. 
<klickediklackedi ... rm -rf *.*> 
"Hmm", 
sage ich zu der DAUin, 
"ich glaube, das Aufräumen können Sie sich sparen." 
"Wie ... wieso?" 
"Ich sehe gerade, daß Ihr riesiger BMI ein automatisches Notfall-Programm namens BRIGITTE aktiviert hat, das Ihren Account ... äh ... etwas verschlanken wird ..." 
Kaum bin ich die hysterische DAUin los geworden, stürmt Marianne in mein Allerheiligstes. Ein rascher Blick sagt mir, daß sie ihrem Posaunenkasten nicht dabei hat; ich bleibe also vorerst ruhig hinter meiner Konsole sitzen. 
"Wieso", 
beginnt Marianne mit drohendem Unterton, 
"wieso ist meine Workstation heute plötzlich so langsam, obwohl ich keine Prozesse darauf sehen kann?" 
"Ähm ..." 
"Und wenn ich /proc/cpu abfrage, bekomme ich nur eine obskure Kernel-Meldung: computer diet in effect - all resources limited to 10%!" 
"Ach so, das meinst du! Das ist ganz einfach: Unsere Workstations sind in letzter Zeit wegen des ganzen angesammelten Datenmülls etwas träge geworden. Du weißt schon: die vielen Plattensyncs, die die dauernd machen müssen; das treibt natürlich die Prozessor-Temperatur in Höhe; und dann kommen die Lüfter nicht mit. Tja, und um einem drohenden CPU-Infarkt vorzubeugen, habe ich eben allen Workstations erstmal eine Computer-Diät verordnet ..." 
"Eine Computer-Diät!" 
"... nur noch ein Zehntel der Taktfrequenz; Bus-Zugriffe reduziert auf 10% ..." 
"Eine Computer-Diät!!" 
"... ein paar der größeren Partitionen gelöscht ... Es hat übrigens auch schon geholfen: Hier im Big Brother kannst du sehen, daß die Gehäuse-Temperatur in deinem Rechner um 12 Grad gesunken ist ..." 
"Eine Computer-Diät!!!" 
"... das wird unserer Hardware bestimmt gut tun und den armen Workstations ein paar Monate mehr Lebenserwartung geben ... sag mal, ist dir nicht gut?" 
Während Marianne noch fieberhaft nach ihrem Posaunenkasten sucht - ohne zu wissen, daß ich den letzte Woche über EBay versteigert habe - mache ich mich über die Feuertreppe aus dem Staub. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag. Oder sollte ich mir morgen mal frei nehmen und ins Fitneßstudio gehen?
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