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17.02.2002 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Kein Mensch weiß genau, warum im Telefonsystem von Behörden oder Firmen ab einer bestimmten kritischen Anzahl von Beschäftigten (die sogenannte 'Wanninger Treshold'; sie liegt in Bayern bei 128) eine Art kollektives Bewußtsein erscheint, welches nur darauf aus ist, den Anrufer so lange wie möglich hin und her zu verbinden. An sich sollte das überhaupt nicht möglich sein, weil üblicherweise jeder Mitarbeiter ein Verzeichnis aller Telefonnummern hat. 
Zu diesem Phänomen gab es bereits zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen. Zum Beispiel kam Hopfenstädt (1977) zu dem Schluß, daß die einzig logische Erklärung die Tatsache sei, daß die Mitarbeiter entweder nicht lesen könnten oder sich ständig vertippen würden. Ein Feldversuch in der Bayerischen Staatskanzlei (Hopfenstädt et al. 1981) hat diese Theorie allerdings falsifiziert. 
Meine eigene Theorie ist, daß die zwangsweise Vernetzung einer genügend hohen Anzahl von Beamtengehirnen irgendwann die Gödelgrenze überschreitet, und das Gesamtsystem, bestehend aus Gehirnen (Zellen) und Telefonanlage (Synapsen), beginnt über sich selbst nachzudenken, daß heißt es wird sich seiner selbst bewußt. Bewußte Systeme wiederum stellen früher oder später die ganz große Frage, ihr wißt schon, die Frage nach dem Universum und dem ganzen Rest (die Antwort kennen wir ja seit Douglas Adams zur genüge!). Da dieses System aber nur sehr eingeschränkte Erfahrungen aus der Umwelt machen kann, kommt es vermutlich zwangsweise zu der Erkenntnis, daß der Sinn des Lebens darin bestehen müsse, jeden ankommenden Reiz (Anruf von außen) mit einer möglichst breiten Masse seiner Zellen zu verbinden. So wie ja auch das Gehirn Reize der Sinnesorgane über die ganze Großhirnrinde verteilt. Die Folge ist, daß jeder von außen kommende Anruf zuerst mindestens 10mal weiter verbunden wird, bevor man endlich an der richtigen Adresse landet. 
Ich wähle die Nummer des Kreisverwaltungsreferats. Nachdem ich wie üblich fünfzehn Mal hin und her vermittelt wurde, lande ich endlich bei der 'zuständigen Mitarbeiterin'. 
"Vereinsmeldestelle. Vorstadler am Apparat." 
"Ja, Grüß Gott. Mein Name ist ... im Moment nicht so wichtig. Ich würde gerne einen neuen Verein gründen. Bin ich da bei Ihnen richtig?" 
Frau Vorstadler gibt widerwillig zu, daß ich da richtig sei. Im Hintergrund höre ich, wie sie die Kaffeetasse abstellt und die Abendzeitung zur Seite schiebt. 
"Ja, also", sage ich munter, "der neue Verein soll natürlich gemeinnützig sein, damit wir keine Steuern zahlen und Spendenbescheinigungen ausstellen können." 
"Aha", 
meint die Vereinsverwaltungsdame säuerlich, als ob die Steuereinnahmen direkt auf ihr Girokonto gegangen wären. 
"Und wie soll der Verein heißen? Die Gemeinnützigkeit muß aus dem Namen ersichtlich sein ..." 
"'Verein zur Rettung meines vom Aussterben bedrohten Berufs'." 
"So! Verein zur ... was ... äh ... was für ein Beruf?" 
"Meines", 
sage ich prompt. 
Die Antwort ist verblüfftes Schweigen. Deshalb füge ich erläuternd hinzu: 
"Ich bin nämlich Universitäts-Assistent." 
Nochmal Pause. Dann: 
"Ja ... und?" 
"Nach dem neuen Hochschulgesetz gibt es für diesen Beruf praktisch ein Berufsverbot, weil an der Uni alle Dauerstellen abgeschafft werden und gleichzeitig die Zeitverträge auf 6 Jahre befristet sind. Folglich ist mein Beruf also akut bedroht. Und da dachte ich mir, es wird höchste Zeit, dachte ich mir, daß jemand einen Verein zum Schutz meines vom Aussterben bedrohten Berufs einrichtet." 
"Aber ..." 
"Schließlich gibt es ja für alle anderen vom Aussterben bedrohten Dinger auch gemeinnützige Vereine, nicht wahr? Warum also nicht für meinen Beruf?" 
"Äh ... schon. Wenn aber ..." 
"Damit dann, wenn mein Vertrag nicht mehr verlängert wird, schon genügend Spenden eingegangen sind für meinen Unterhalt, verstehen Sie?" 
"Äh ... ja ... nein ... äh ..." 
"Vielleicht müßte man das im Titel noch deutlicher machen", 
sinniere ich laut vor mich hin. 
"So etwa: Verein zur Rettung der monatlichen Bezüge von Universitätsassistent Leisch? Sonst kommen am Ende auch noch andere gefeuerte Assistenten auf die Idee, sich an diesen Verein zu wenden. Sie wissen ja, wie habgierig die Leute sind!" 
"Aber das geht doch nicht!" entfährt es Frau Vorstadler heftig. 
"Wie meinen?" 
"Sie können doch nicht einen gemeinnützigen Verein gründen, der nur Sie unterstützt!" 
"Und warum nicht?" 
"Weil ... weil Sie doch nicht gemeinnützig sind!" 
"ICH bin vielleicht nicht direkt gemeinnützig, aber mein Gehalt weiter zu zahlen könnte durchaus dem Gemeinwohl zu Nutze kommen. Ich gebe Ihnen ein praktisches Beispiel: Solange mein Gehalt pünktlich auf meinen Girokonto eintrifft, sitze ich hier in der Uni, schaue mir die neuesten Pornos durch, trietze ein bißchen die Studenten, aber alles in allem ist die öffentliche Sicherheit durch mich nicht bedroht. Wenn jetzt aber mein Paycheck plötzlich ausbleibt, dann sitze ich zuhause und komme am Ende aus lauter Frust auf dunkle Gedanken. Unter Umständen sogar seeeeehr dunkle Gedanken. Und dann könnte ich zum Beispiel Sie anrufen und sehe auf meinen ISDN-Display Ihre Durchwahl. Und würde ich - rein hypothetisch wohl gemerkt - ..." 
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"... mich vielleicht in den Abrechnungs-Computer Ihrer Handy-Gesellschaft einhacken und Ihre Abrechnung um ein paar Dezimalstellen nach oben korrigieren (weil Sie im Handy-Vertrag, wie es sich gehört, ihre Büronummer angeben haben). Oder ich könnte auch Ihren Namen auf die Liste der am meisten gesuchten Schläfer im Fahndungs-Computer des BKA setzen." 
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"Oder hier stoße ich doch rein zufällig auf Ihre Email-Adresse, weil Sie irgendwann mal bei Karli-Versand per Internet Unterwäsche (lila) bestellt haben ..." 
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"... und die kopiere ich jetzt mal kurz an ein paar Tausend Werbelisten (die email, nicht die Unterwäsche) ... Und das alles wollen Sie riskieren, nur weil Sie meinen, daß es keinen gemeinnützigen Verein geben darf, der mich von der Straße weg hält?!"
Frau Vorstadler versichert mir, daß alle nötigen Formulare noch heute an mich rausgehen, und daß sie auf jeden Fall meinen Antrag zur Anerkennung eines gemeinnützigen Vereins sehr wohlwollend begutachtet ans Amtsgericht weiter geben wird.
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