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30.03.2006 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Strike, the 2nd
I Robot weiter 
Lubricated Stick
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Ein langer, anstrengender, nervenaufreibender Arbeitstag geht zu Ende. Mit anderen Worten: es ist so gegen 13 Uhr und ich bin auf dem Weg in die Tiefgarage zu meinem Bastard-Mobil, da fällt mir siedendheiß ein, daß ich vergessen habe, die Backup-Bänder von letzter Nacht über den Lösch-Magneten zu ziehen! 
Nun ist es zwar inzwischen äußerst unwahrscheinlich geworden, daß sich ein DAU bei mir meldet und seine mysteriöserweise verschwundenen Daten aus dem Backup wiederhaben will, weil, seitdem ich den Seltene-Erden-Magneten aus dem Physikpraktikum stibitzt habe, kein einziges Backup-Tape an unserem LEERstuhl mehr lesbar ist. Aber mein angeborenes Pflichtbewußtsein läßt mir trotzdem keine Ruhe. Außerdem braucht auch ein B.A.f.H. eine gewisse Routine; das gibt einem Halt und Zuversicht im trüben Alltag, und außerdem schlafe ich besser, wenn ich weiß, daß alle Platten am LEERstuhl ungesichert vor sich hin eiern! 
Ich eile also zurück zu meinem Allerheiligsten, biege den Schlüssel schon in der Hand um die Ecke und ... 
"Holy Core-Dump! Was ist DAS denn?!" 
Vor meiner Bürotüre steht/schwankt/vibriert ein ... Ding, das man am ehesten noch als Ausgeburt eines Albtraums von Steven Spielberg oder George Lukas bezeichnen könnte. Es ist etwa ein Meter hoch, steht auf drei kompakten Raupenbeinen, ist am ganzen Körper gespickt mit Antennen, Drähten und waffenähnlichen Fortsätzen. Vorne, wo bei einem normalen Wesen die Brust sein würde, sehe ich einen kleinen TFT-Schirm, auf dem unleserliche Zahlenkolonnen durchflimmern. Oben drauf ist so etwas wie eine Parodie eines Kopfes allerdings mit vier Augen und mehr Antennen, als einem überlasteten UMTS-Funkmast gut tun würde. Hinter dem ... Ding steht Yogi Flop, unser esoterischer Physikdoktorand, und grinst über das ganze Gesicht. Es ist schwer zu sagen, was schlimmer aussieht, Yogis Grinsen oder das ... Ding. 
Ich mache den Mund auf, um etwas zu sagen (was bloß?), aber das ... Ding kommt mir zuvor: 
"HALLO + ICH BIN SMARTBOT VERSION 24 + ICH BIN EIN DERMATSCHISCHER LERNFÄHIGER ROBOTER" 
"Dermatschischer?" 
ist alles, was ich im Moment herausbringen kann. 
"Er meint 'semantischer'", 
sagt der Kollege O., der unbemerkt hinter mir aufgetaucht ist. 
"Die Sprachsynthese ist noch nicht so ganz ausgereift. Aber sonst schaut unser SmartBot doch schon ganz toll aus, findest du nicht?" 
Das ... Ding ... oder besser, der SmartBot, stellt sich als Prototyp im SCHWAFEL-Projekt heraus, den Yogi Flop und der Kollege O. im letzten halben Jahr zusammengebaut haben. Ich habe mich immer von ihrem Labor ferngehalten, damit niemand etwa auf die unglückliche Idee kommen könnte, mich zum Programmieren einzuspannen. Aber eben deshalb, das heißt weil ich in Sachen SmartBot völlig unbedarft bin, bestehen der Kollege O. und Yogi darauf, daß ICH die ideale, weil unvoreingenommene Versuchsperson sei. 
Ich ahne Übles und weise hastig darauf hin, daß Marianne oder Frau Bezelmann noch viel unvoreingenommener seien als ich. Aber leider stellt sich heraus, daß Frau Bezelmann dem SmartBot bereits Aufenthaltsverbot im Bereich des Sekretariats gegeben hat, nachdem er 'den Raben Nero beleidigt' habe. Und Marianne weigert sich ebenfalls zu kooperieren, weil das SCHWAFEL-Team ihren Vorschlag, eine Roboterin zu entwerfen, abgelehnt hat. 
"Na, schön", 
ergebe ich mich in mein Schicksal. 
"Und was soll ICH mit dem ... SmartBot anfangen? Soll ich mit ihm Kreuworträtsel lösen oder Schach spielen?" 
Der Kollege O. schüttelt den Kopf. 
"Der SmartBot ist als selbstlernendes, automotives System ausgelegt. Als erstes soll er lernen, sich in der Stadt zu bewegen. Geh mit ihm spazieren und bring ihm alles Wichtige bei." 
"Was, bitteschön, ist denn am Spazierengehen wichtig?" 
frage ich verblüfft. 
"Zum Beispiel, daß er auf dem Weg bleiben soll und nicht quer durchs Gelände fährt und so weiter. Er soll durch Imitation lernen, aber du kannst ihm auch einfache Befehle erteilen. Sag einfach 'SmartBot', damit wird die Spracherkennung getriggert. Keine Angst: wir müssen sowieso alles filmen und sind daher immer dabei." 
Ich beäuge den SmartBot mißtrauisch und aus sicherer Entfernung; besonders die waffenähnlichen Fortsätze. 
"Ist er wenigstens friedlich? Beherrscht er die Asimovschen Robotergesetze? Hattet ihr irgendwelche militärischen Sponsoren?" 
In der kleinen Gruppe Studenten, die sich aus dem Nichts um uns herum kondensiert hat, lacht jemand unterdrückt. 
Yogi Flop zaubert eine Mini-DV-Kamera aus der Jackentasche und nimmt uns aufs Korn; der Kollege O. heftet mir einen grellrosa-farbenen Button ans Revers und tippt etwas auf seinem tragbaren Infrarot-Keyboard. Der SmartBot rollt zögernd auf mich zu und bleibt in etwa einem Meter Entfernung erwartungsvoll stehen. Der Kopf dreht sich mit einem sirrenden Geräusch, das unangenehm an eine automatische Zielerfassung erinnert, bis die zwei mittleren Augen genau auf den rosa Ansteck-Button ausgerichtet sind. Mir fällt auf, daß der Button ziemlich genau über meinem Herzen steckt. Ich seufze und werfe resigniert sie Arme nach oben. 
"Also schön, gehen wir!" 
Der SmartBot wirft genau wie ich zwei seiner Fortsätze nach oben, wobei eine der Antennen abbricht und auf den Boden klappert. 
"Hoppala!" 
sagt Yogi Flop und die Studenten kichern wieder. 
Aber der Kollege O. erklärt, daß es auch ohne GPS ganz gut funktionieren sollte, und bedeutet mir einfach weiterzumachen. 
"SmartBot", 
sage ich möglichst autoritär, 
"folge mir!" 
"WEARSCHONTEN, CHEF!" 
"Waaas?" 
"Das sollte 'Verstanden' heißen", 
übersetzt der Kollege O. leise. 
"Logisch", 
sage ich, während wir zum Fahrstuhl gehen, und der SmartBot hinter mir her wackelt. 
"Weißt du, ich bin wirklich froh, daß ihr das Ganze filmen müßt ..." 
Im Aufzug sage ich: 
"Ok, SmartBot. Fahr' uns ins Erdgeschoß!" 
"ZEIGE MIR WIE DAS GEHT, CHEF!" 
Ich gucke den Kollegen O. an, aber der zieht bloß auffordernd die Augenbrauen hoch. Ich hebe also langsam den Arm und drücke fest auf den Knopf fürs Erdgeschoß. Der Aufzug schließt die Türen und fährt los. 
"WEARSCHONTEN, CHEF!" 
kommt es plötzlich von SmartBot, und eine dreifingrige Robothand wird auf einem Arm ausgefahren, den sie vermutlich aus dem Film 'Die Rückkehr der Borg' geklaut haben. Bevor jemand reagieren kann, drückt die Hand zielsicher auf den roten ALARM/NOTHALT/NEVER-PRESS-THIS-BUTTON Knopf. 
Der Aufzug kommt mit einem unsanften Ruck zum Stehen und draußen hören wir die Sirene losheulen. Dann geht das Licht aus und es wird ziemlich dunkel. 
"SmartBot, Licht!" 
rufe ich, aber nichts passiert. 
"SmartBot, Bildschirmhelligkeit auf Maximum!" 
"Darauf ist er leider noch nicht programmiert", 
sagt der Kollege irgendwo neben mir. 
"Hervorragend", 
sage ich bitter, 
"ein richtiger Lebensretter, euer SmartBot. Irgendwo hier muß doch eine Sprechanlage sein ... Was ist das hier?" 
"Das ist mein linkes Ohr", 
sagt Yogi Flop. 
"Aua!" 
Das schrille Geräusch überlasteter Motoren gellt plötzlich durch den dunklen Aufzug. 
"Aber ich habe doch gar nichts gemacht mit deinem Ohr!" 
"Nein, aber jemand knallt ständig gegen meine Schienbeine! Aua, verdammt!" 
Irgendetwas schlägt mir so voll in die Magengrube, daß mir einen Moment die Luft weg bleibt. Dann höre ich den Kollegen O. brüllen: 
"Der SmartBot hat seine Bezugsperson verloren. Er kann den rosa Button nicht mehr sehen ... Autsch! ... Er versucht jetzt, den Button wieder ins Blickfeld zu bekommen ..." 
"Dann schalt ihn doch ab! Hilfe!" 
Man hört, wie jemand schwer zu Boden geht. 
"Ich hab' das Keyboard verloren! Aua!" 
Zum Glück geht in diesem Moment das Licht wieder an. Ich reiße mir den rosa Button von der Brust und halte ihn dem SmartBot direkt vor die Linsen. Der Roboter, der schon halb über den schreienden YogiFlop gefahren war, stoppt sofort. 
"HALLO + ICH BIN SMARTBOT VERSION 24 + ICH BIN EIN DERMATSCHISCHER LERNFÄHIGER ROBOTER" 
"Darüber reden wir noch", 
schnappe ich, 
"wie stellt man das verdammte Ding ohne Keyboard ab?" 
"Äh ... gar nicht", 
stottert der Kollege O., 
"warte ... hier ist es ..." 
Endlich fährt uns der Gehilfe des Hausmeisters mit Hilfe der Handsteuerung ins Erdgeschoß und befreit uns aus dem Aufzug. Yogi Flop und der Kollege O. untersuchen sofort mit besorgten Mienen den deaktivierten SmartBot. Daß ich an ganzen Körper blaue Flecken habe, scheint niemanden zu interessieren. 
"Ein Glück", 
atmet der Kollege O. erleichtert auf, 
"alles in Ordnung. Nichts passiert!" 
Ich starre ihn an. 
"NICHTS PASSIERT?!" 
"Kleine Panne", 
erklärt der Kollege O. mit wegwerfender Handbewegung. 
"Passiert uns im Labor auch ständig. Kein Grund besorgt zu sein. Immerhin wissen wir jetzt, daß die Tracking-Funktion ausgesetzt werden sollte, wenn die Kameras nur noch wenig Licht empfangen ..." 
Ich schnappe nach Luft. 
"Wir werden in einem steckengebliebenen, dunklen Aufzug fast zu Tode getrampelt ... äh ... zu Tode gewalzt, und du sprichst von einer 'kleinen Panne'! Wie viele Verluste habt ihr denn bei ernsthaften Betriebsunfällen?!" 
"Als Wissenschaftler muß man immer mit einem kleinen Risiko leben. Komm' schon, wir versuchen es gleich noch mal." 
Ich schüttele ungläubig den Kopf und hefte mir den rosa Button wieder ans Revers. 
"Aber nur, weil ich zu erleben hoffe, wie er einen von euch beiden über den Jordan befördert!" 
Zwei Minuten später gehen wir langsam auf dem Bürgersteig an der Schellingstraße entlang. Der wieder zum Leben erweckte SmartBot brummt wie ein außerirdischer Schäferhund hinter mir her. Passanten machen einen großen Bogen um uns oder wechseln lieber gleich auf die andere Straßenseite. Eine wasserstoffgebleichte Politesse beobachtet uns mit offenem Mund - was ihr gar nicht so schlecht steht. 
"Ok, SmartBot", 
sage ich und bleibe bei einer Parklücke stehen. 
"Überquere die Straße!" 
"ZEIGE MIR WIE DAS GEHT, CHEF!" 
Ich drehe betont langsam den Kopf erst nach rechts, dann nach links, und überquere dann die Fahrbahn. 
"WEARSCHONTEN, CHEF!" 
Der SmartBot dreht seinen Kopf nach rechts und scannt die leere Straße. Dann dreht er den Kopf um 180 Grad nach links. In diesem Moment biegt rechts ein UPS-Lieferwagen um die Ecke. Im denkbar ungünstigsten Moment rollt der SmartBot los ... 
Nachdem wir den geschockten UPS-Fahrer dem Roten Kreuz übergeben haben, stehen der Kollege O., Yogi Flop und ich auf der Schellingstraße und betrachten trübselig den Haufen Elektronikschrott im Rinnstein. 
"Immerhin", 
sage ich, um überhaupt irgendwas zu sagen, 
"immerhin verstehe ich jetzt, wieso es schon die Versionsnummer 24 war ..."
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