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  BASTARD   ASS ( I )   FROM   HELL von Florian Schiel
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B.A.f.H.

14

Ich sitze in meinem Büro und warte zur Abwechslung mal darauf, daß das Telefon klingelt. Ich wünschte zwar, es würde das lassen, aber bis jetzt hat die Erfahrung gezeigt, daß solche Wünsche in den oberen Rängen meistens unberücksichtigt bleiben.

Vor allem wenn sie von mir kommen.

Also habe ich beschlossen, heute den Spieß umzudrehen. Nach Murphy's Law klingelt ein Telefon mit höchster Wahrscheinlichkeit gerade dann, wenn man mitten in einer wichtigen Arbeit steckt oder gerade in der Badewanne sitzt. Das ist wie mit dem bekannten Milchtopf, der nicht kocht, solange man ihn bewacht. Folglich werde ich heute das Telefon bewachen, bis es wegen Nicht-Klingelns schwarz wird.

Keine drei Stunden später macht das Telefon alle meine Hoffnungen zunichte: Es läutet. 
Ich lasse es dreimal läuten, dann hebe ich ab:

"Hallo?" sage ich. "Ich hätte gerne ein große Pizza Nummer 5 mit extra Champignons, eine kleine Salami und eine kleine Pepperoni." 
"W ... was?" 
"Ist dort nicht die Pizza-Hotline?" frage ich. 
"Nein, ich ..." 
"Dann habe ich mich wohl verwählt. Entschuldigen Sie bitte." 
"Aber ..."
Ich lege auf.

In diesem Moment trabt das Doggen-Monstrum vom Hausmeister an meiner offenen Bürotüre vorbei. Das ist die Gelegenheit. Mit meinem Lunch-Sandwich locke ich das strohdumme Vieh in mein Büro. Gleich darauf klingelt wieder das Telefon. Ich hebe ab, schalte auf Mithören und halte der Dogge den Hörer hin.

"Hallo?" klingt es aus dem Lautsprecher.
Er ist es wieder.

Die Dogge des Hausmeisters ist bekannt dafür, daß sie bei jeder Art von High Tech großes Unbehagen empfindet. Unbehagen äußert sich bei ihr in Form von lautem Winseln und Jaulen. 
(Dabei fällt mir gerade auf, daß die Dogge in dieser Hinsicht große Ähnlichkeit mit unseren ökologisch angehauchten Studentengruppen hat. Vielleicht sollte ich sie mal zu einer Studenten-Hauptversammlung mitbringen.) Der Dogge ist die körperlose Stimme aus den Telefonhörer schon High Tech zuviel. Sie beginnt zu winseln.

"Wer ist da? Hallo? Ich wollte Herrn Leisch ..."
Das Winseln steigert sich zum herzzereißenden Fiepen.
"Ist da jemand? ... Geht es ... ich meine, fühlen Sie sich nicht wohl? ... Hallo ..."
Die Dogge des Hausmeister wirft den Kopf in den Nacken und beginnt laut zu heulen.
"UM GOTTES WILLEN! WAS PASSIERT DENN DA?! HÖRT MICH DENN KEINER?!"
Ich lege auf und entlasse die erleichterte Dogge in den Gang. Dann lenke ich meinen Anschluß auf die Nebenstelle der RKfH um.

Als ich von einem ausgedehnten Snack in der Cafete zurückkomme, steht der riesige Kübelstaubsauger der Putzfrau vor meiner Bürotür.

Das mißfällt mir.

Erstens kann ich das veraltete Ding sowieso nicht ausstehen, weil sein mittelalterliches Geheule mir regelmäßig Alpträume während der Mittagspause verursacht. Hundertmal habe ich dem Chef schon vorgeschlagen, ein modernes schallgedämpftes Modell anzuschaffen, das dem High Tech Charakter unseres Lehrstuhls angemessen ist. 
Zweitens blockiert es, so wie es dasteht, den Zugang in mein Büro. 
Die Putzfrau selber ist natürlich nirgends zu sehen; wahrscheinlich schwatzt sie mal wieder ausgiebig mit Frau Bezelmann. Ich schnalle den verbeulten Deckel ab und entferne den Staubfilter vor dem Auslaßstutzen. Dann plaziere ich den Kübelstaubsauger gegenüber meiner offenen Bürotür, so daß ich ihn noch gut im Blickfeld habe.

Keine Stunde später höre ich den Chef seinen 14-Uhr-Rundgang beginnen. Während er den Gang herunterschreitet, unterhält er sich väterlich mit der Putzfrau. Der Chef gibt sich gern sozial gegenüber seinen subalternen Angestellten.

"Und ... äh ... wie befindet sich Ihre werte Familie?" 
"Uh ... wann der Klainä nua mal mecht bessa wean mit sain Aschtma, necht? Un da Mann nua necht sovill trinken mecht. Un denn es de Tantä noch laida gstorm ..." 
"Gut, gut, das freut mich aber ...", sagt der Chef leutselig lächelnd.
Der Chef hat trotz ausgeprägten Sozialbewußtseins leichte Probleme mit der Sprache der Putzfrau. Das macht aber gar nichts, weil die Putzfrau die gleichen Probleme mit dem Chef hat.

Inzwischen sind sie beim Staubsauger angelangt, und die Putzfrau, die dem Chef zeigen möchte, wie ausgesprochen arbeitswütig sie heute wieder ist, setzt das heulende Ungetüm sofort in Gang. Durch den fehlenden Filter wird der staubige Inhalt des Kübels mit beträchtlicher Geschwindigkeit herausgepustet. Es entsteht eine Art Mini-Atompilz im Gang, der das Haupt des Chefs wie ein Glorienschein umwallt. Der Chef schnappt vor Schreck nach Luft und bekommt eine geballte Ladung Tschernobyl-Staub in die Lunge.

Die Putzfrau findet vor Aufregung den Schalter nicht und rüttelt hektisch an dem heulenden Kübel herum. Das erweist sich als Fehler, weil sich nun auch die schwereren Teile in Bewegung setzen und ihren Weg in durch den Auslaßstutzen finden. Es schneit Papierschnitzel und Zigarettenstummel über den Chef, der sich mitten in einem krampfhaftem Hustenanfall befindet. Undefinierbare Metallstückchen schießen als bösartig surrende Querschläger durch den Gang und treffen beinahe Kollege O. und Marianne, die neugierig aus ihren Büros spähen. Endlich schafft es der Chef geistesgegenwärtig, sich in das Netzkabel zu verheddern und den Stecker aus der Wand zu ziehen. 
Wie ein auslaufendes Boeing-Triebwerk kommt der antike Kübelstaubsauger langsam zur Ruhe.

Die Putzfrau stotterte unzusammenhängendes Zeug; der Chef versucht krampfhaft, sein Soziallächeln aufrechtzuerhalten. Allerdings bröckelt es am linken Mundwinkel schon etwas.

Frau Bezelmann, die immer zur Stelle ist, wenn etwas Amüsantes außerhalb der üblichen Routine passiert, beginnt die Glatze des Chefs mit einem gelben Spüllappen abzustauben. 
Der Blick des Chefs fällt auf mich. Einen winzigen Moment lang denke ich, daß er ... aber nein. Er sagt lediglich:

"Äh ... Leisch. Ich glaube, wir könnten einen neuen Staubsauger gebrauchen, meinen Sie nicht?"
 
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